In den so genannten Steueroasen lagern Billionen Dollar oft zweifelhafter Herkunft. Mit dem entsprechenden politischen Willen könnte dieser bewusste Systemfehler der Weltwirtschaft relativ leicht behoben werden, meint
Steueroasen wirken sich gleich in mehrfacher Hinsicht schädlich aus: Indem sie große Gewinne und Vermögen anlocken, fördern sie Kapital?ucht und Steuerhinterziehung. Durch den angeheizten Steuerwettlauf nach unten auf Kapitaleinkommen müssen sich alle Länder zunehmend über die Besteuerung von Arbeitseinkommen ?nanzieren. Durch die mangelnde Bankenaufsicht erhöhen sie die Instabilität des globalen Finanzsystems. Zum Beispiel ankern Hedge-Fonds mit Vorliebe in Offshore-Zentren.
Steueroasen sind Waschsalons für Gelder aus krimineller Herkunft. Sie bunkern außer Landes geraffte Vermögen korrupter Diktatoren.
Besonders betroffen sind – wieder einmal – die Entwicklungsländer. Infolge des Steuerwettbewerbs ist die durchschnittliche Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Entwicklungsländern von 35 auf 20 Prozent gesunken. Nach Schätzungen der britischen Hilfsorganisation Oxfam ersparen sich multinationale Konzerne dadurch jährlich 35 Milliarden Dollar. Hinzu kommen entgangene Staatseinnahmen aus Zinsertragssteuern (durch ge?üchtetes Kapital) in der Höhe von 15 Milliarden Dollar, womit sich ein addierter Steuerausfall von 50 Milliarden Dollar pro Jahr ergibt – genauso viel wie die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe.
Das führt das immer wieder gebrachte Argument ad absurdum, dass das Schließen von Steueroasen den Entwicklungsländern schade. Die Gesamtheit der Entwicklungsländer verliert weit mehr durch Steueroasen als einzelne Kleinstaaten pro?tieren.
Das „Schließen“ vieler Steueroasen ist einfacher als gemeinhin angenommen, weil es sich um Protektorate der Industrienationen handelt. So gehören zum Beispiel die Cayman-Inseln, die Bermudas oder Jersey zu Großbritannien, Samoa zu den USA und die Niederländischen Antillen zu Holland. Diese richteten die Steueroasen bewusst ein, um vermögenden Personen und Unternehmen eine Gelegenheit zu geben, geltende Steuergesetze und Regulierungen zu umgehen. Es handelt sich also nicht um rebellische Kleinstaaten, die den reichen Ländern eins auswischen wollen, sondern um Initiativen der Industrieländer selbst. Sobald sich hier politischer Gegendruck bildet, ist es aus mit dem Offshore-Dasein.
Aber auch gegen widerborstige Steueroasen gibt es eine Reihe von Instrumenten: Die konsequente Befolgung des Wohnsitzstaatsprinzips würde bewirken, dass die Steuern in demjenigen Land bezahlt werden müssen, in dem der Lebensmittelpunkt liegt. Momentan verhindern so genannte „Doppelbesteuerungsabkommen“, dass der Fiskus zweimal zugreift. Das ließe sich ändern, indem im Wohnsitzland auf jeden Fall besteuert wird, nur abzüglich der in der Steueroase bezahlten Tribute: Der Differenzbetrag – die bisherige Steuerersparnis – wird abgeschöpft, wodurch sich das „Umsiedeln“ nicht mehr auszahlt.
Eine weitere Möglichkeit liegt in der Einschränkung des Kapitalverkehrs von und zu Steueroasen. Die WTO könnte sagen: An einem Regime freien Kapitalverkehrs dürfen Steuerdumper oder Länder mit exzessivem Bankgeheimnis nicht teilnehmen. Oder die Hauptsitzländer entziehen jenen Banken und Konzernen, die in Steueroasen Filialen bzw. Briefkasten?rmen unterhalten, die Lizenz. (Es ist ja nicht die Bank of Bahamas, bei der Geld geparkt wird, sondern eine Filiale der jeweiligen Hausbank).
Schließlich emp?ehlt es sich, im Rahmen des UN-Systems über eine Weltsteuerbehörde nachzudenken, die steuerschädliche Praktiken sanktioniert, Geldwäsche ahndet und Mindeststandards für die Bankenaufsicht überwacht. Vor allem aber sollte diese Behörde darauf drängen, dass Kapital- und Arbeitseinkommen endlich gleich hoch besteuert werden – progressiv und innerhalb einer vernünftigen Bandbreite, welche Steuerdumping verhindert und dennoch wirtschaftspolitischen Spielraum für Nationalstaaten lässt.
Eine Fleißaufgabe für die Weltsteuerbehörde fällt mir auch noch ein: Sie könnte sich für eine globale Soli-Steuer einsetzen: Ein Prozent auf das Barguthaben aller Personen, die zumindest eine Million Dollar auf dem Konto haben. Dieses unscheinbare Soli-Prozent würde die stolze Summe von 270 Milliarden Dollar pro Jahr aufbringen: kein schlechter Fonds für Entwicklungshilfe und globalen Umweltschutz. Die Multimillionäre würde das nicht kratzen: Sie erfreuen sich laut Rating-Agenturen einer jährlichen Geldvermehrung um sechs bis zwölf Prozent.
Der Autor lebt als freier Publizist, Autor und Übersetzer (Spanisch) in Wien. Er ist Vorstandsmitglied von ATTAC Österreich, dem Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte (www.attac-austria.org).
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